Bürgermeisterbrief

Portrait Bürgermeister mit Sakko 2023

Mensch und Natur im Blick - mit solidem Fundament Durststrecke meistern

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

 

am 9. Februar haben wir im Gemeinderat den Haushalt für 2023 und die Finanzplanung bis 2026 beschlossen. Haushaltsplanung und Sicherstellung der finanziellen Stabilität finden jedoch nicht erst bei den Haushaltsberatungen statt. Sie gestaltet sich vielmehr während des ganzen Jahres durch jede einzelne Entscheidung, die zu Ausgaben und Einnahmen getroffen wird. Meine Gedanken zum Haushalt 2023 erlaube ich mir, Ihnen in diesem etwas ausführlicheren „Bürgermeisterbrief“ näherzubringen.

 

Krisen schränken Einnahmen ein und erhöhen Ausgaben

Die Krisen unserer Zeit und deren Folgen - Inflation, Zinssteigerung, schrumpfende Wirtschaftsleistung sowie die Mehrbelastung der privaten Haushalte durch sehr hohe Energiepreise und allgemeine Kostensteigerung - schränken die Einnahmenseite der Gemeinde merkbar ein und erhöhen gleichzeitig die Ausgabenseite.

 

Überproportional erhöht sich die Ausgabenseite auch durch zusätzliche Investitionen, um Energieverbräuche zu optimieren und die Energiewende sowie eine regionale Unabhängigkeit bei der Energieversorgung noch stärker voranzutreiben.

 

Höhere Belastungen für private Haushalte und Unternehmen nicht zumutbar

Gleichzeitig gilt es, aus Fürsorge um die privaten Haushalte, diese nicht immer mehr zu belasten. Der Anteil unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger, der sich mit hohen Mieten und Lebenshaltungskosten immer schwerer tut, teilweise ohne soziale Beihilfe gar nicht mehr zurecht kommt, wächst am stärksten an.

 

Auch die Handwerks-, Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe in unsere Gemeinde kämpfen mit veränderten Rahmenbedingungen wie steigende Energie-, Lohn- und Materialkosten. Darüber hinaus sind wichtige Exportmärkte wie China und Russland ein- beziehungsweise weggebrochen. Die Meinung, den Betrieben hier am Standort immer höhere Belastungen zumuten zu können, halte ich für eine fatale Fehleinschätzung. Unser über Jahre hinweg aufgebautes Gewerbesteuerpotenzial würde damit gefährdet werden.

 

Im Haushalt 2023 bilden sich Energiepreissteigerungen um das 2,5-fache genauso ab wie stark angestiegene Defizite in den Kinderhäusern sowie weitere Steigerungen von Lohn- und Materialkosten. Unsere Gemeinde muss auch die höchste je abzuführende Kreisumlage von 14,4 Millionen Euro schultern, da auch der Landkreis von den gleichen Faktoren belastet wird und somit stark erhöhte Ausgaben zu leisten hat.

 

Mögliche Folgen einer weiteren Verschärfung

Während der verwaltungsinternen Bearbeitung des Finanzhaushalts und den damit final erkennbaren Auswirkungen aller schon benannten Einflüsse stellte ich mir die Frage, welche Einschränkungen bei einer weiteren Verschärfung der Situation im Raum stehen würden.

 

Sind wir dann gezwungen oder bereit, über Einstellung der Buslinien, die Schließung des Freibads oder über die Aufgabe von sozialverträglichen Kinderbetreuungsgebühren zu sprechen? Sind wir dann gezwungen, freiwillige Leistungen nicht nur kurzfristig abzusenken, sondern dauerhaft zu reduzieren? Müssen wir dann auch über die Streichung von geplanten Investitionen wie der Sanierung des Bürgerzentrums und des Freibads ernsthaft sprechen?

 

Was ist, wenn die Aufgabe freiwilliger Leistungen nicht mehr ausreicht und wir auch über die geplanten und erforderlichen Erweiterungen von Feuerwehrhäusern und Beschaffung von Einsatzfahrzeugen, über Reduzierung des Ausbauprogramms für die Kinderbetreuung und über die Verschiebung der Erweiterung von Schulangeboten sprechen müssen? Die Annahme, „Pflichtaufgaben und somit indiskutabel“ endet spätestens dann, wenn die Leistungsfähigkeit der Gemeinde nicht mehr gegeben ist.

 

Gewerbesteuer sichert Leistungsfähigkeit der Gemeinde

Das Wissen, dass sehr viele private Haushalte an ihrer Belastungsgrenze sind, rückt die Bedeutung der Gewerbesteuer noch stärker in den Fokus. Ein Gewerbesteueraufkommen, das die gleiche Höhe wie das Einkommensteueraufkommen erreicht, bestenfalls sogar übertrifft, war in den letzten Jahren deshalb immer unser Ziel.

 

Dieses Ziel hatten wir bisher erreicht und in Folge dessen auch, dass wir unsere Mitbürger nicht unverhältnismäßig belasten mussten. Darüber hinaus konnten wir uns sozialverträgliche Kinderbetreuungsgebühren leisten, ein Defizit von 200.000 Euro beim Freibad schultern, nicht kostendeckende Buslinien anbieten, Ladestationen für E-Fahrzeuge und Car-Sharing subventionieren sowie einen flächendeckenden digitalen Ausbau in Millionenhöhe finanziell ermöglichen. Das sind alles Leistungen, die den einzelnen Bürger nicht nur finanziell entlastet, sondern auch durch die Schaffung einer guten Infrastruktur die Lebensqualität erhöht hat.

 

Gewerbe sichert Lebensqualität

Uns allen, sowohl als Gemeinderäte als auch als Bürger, sollte diese Tatsache bewusst sein, wenn wir über das Gewerbe in der Gemeinde sprechen. Die Gemeinde Maisach hat zu keiner Zeit Gewerbe angesiedelt nur aus Prestigegründen, auch nicht alleine, um Arbeitsplätze zu schaffen. Der wesentliche Grund war, um mit gestärkter finanzieller Leistungsfähigkeit unseren Bürgern eine höhere Lebensqualität und Versorgungssicherheit bieten zu können, die sie aus eigner Kraft in Form von erhobenen Abgaben nicht oder kaum leisten können.

 

Ganzheitliche Betrachtung erforderlich

Eine gute Lebensqualität und ein guter Lebensstandard definieren sich nicht allein aus der Realisierung von – in der Tat erforderlichen - Projekten, die dem Naturschutz und dem Klimaschutz dienen. Vielmehr ist eine ganzheitliche Betrachtung notwendig, die den Menschen, seine Bedürfnisse, seine soziale Absicherung, die finanzielle Leistungsfähigkeit, aber auch eine intakte, gesunde Umwelt und einen nachhaltigen Lebensraum gleichwertig im Blick hat. Einseitige Betrachtungen oder Gewichtungen kann man sich als Privatperson zu eigen machen, nicht aber als für die gesamte Gemeinde, für alle Alters- und sozial unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen verantwortliche Lenker einer Gemeinde.

 

Unterschiedliche Perspektiven und Betroffenheiten

Menschen, die über Wohnraum verfügen, empfinden dessen Neubau anders als die, die dringend Wohnraum suchen. Menschen, die trotz fleißiger Arbeit gerade so mit ihrem Einkommen zurechtkommen, für die stellen hohe Mieten aktuell eine höhere Bedrohung dar als der Klimawandel und das Artensterben. Familien mit Kindern sorgen sich um das Angebot von Kinderbetreuungsplätzen und Schulangeboten - naturgemäß weniger um Seniorenangebote. Menschen, die Arbeit haben und damit auskömmlich leben, erscheint wahrscheinlich die Verbesserung des Arbeitsplatzangebotes in einer Gemeinde weniger wichtig als Menschen, die einen ortsnahen Arbeitsplatz oder überhaupt Arbeit suchen. Aus Sicht der einzelnen Menschen und ihrer jeweiligen Lebenssituation ist jede Betrachtung und Gewichtung richtig.

 

Hohe Finanzkraft sichert Gestaltungsspielraum für Mensch und Lebensraum

Die Mitglieder in einem kommunalen Entscheidungs- und Steuergremium müssen alle Menschen, die Gemeinde und den Lebensraum im Gesamten im Blick haben. Die große Klammer über allen Bedürfnissen ist die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Ohne Geld kein Wohnraum, schon gar nicht vergünstigter Wohnraum, kein breites Kinderbetreuungsangebot, keine Seniorenangebote, keine Energiewende, weniger Natur- und Klimaschutz oder Schutz der Bürgerinnen und Bürger durch gut ausgestattete Feuerwehren.

 

In diesem Selbstverständnis und in der ganzheitlichen Betrachtung sowie Gewichtung aller Bedarfe von Menschen und Natur haben wir in den vergangenen Jahren - besonders im letzten Jahr mit seinen aktuellen Krisen - politische Akzente gesetzt.

 

Die Schaffung von Wohnraum, insbesondere von bezahlbarem Wohnraum, wurde ebenso vorangetrieben wie die Erweiterung von Kinderbetreuungs- und Schulangeboten. Sport- und Freizeitanlagen für alle Generationen haben gleichermaßen ihren festen Platz im Haushalt wie Maßnahmen zum Arten- und Klimaschutz. Für weitere Seniorenangebote wurde genauso intensiv gearbeitet wie für Angebote für unsere Kinder und Jugendlichen.

 

Für eine weiterhin qualitative Ortsentwicklung wurde ebenso viel Zeit und Geld investiert wie für die Sicherung von Bestandsbetrieben in den Gewerbegebieten an der Frauen-, August-Rasch und Ganghoferstraße. Radfahrer, Fußgänger und Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs erfahren auch durch diesen Haushalt Verbesserungen und eine ständige Fortentwicklung der Angebote.

 

Auf die Nennung einzelner Projekte in Umsetzung oder Vorbereitung verzichte ich an dieser Stelle. Dies wird Bestandteil des Berichts bei den Bürgerversammlungen sein.

 

Der größte Arbeits- und mittelfristige auch Investitionsbereich war im abgelaufenen Jahr die Beschleunigung der bereits seit Jahren in der Gemeinde vorangetriebenen Energiewende. Stand heute können wir auf eine wohldurchdachte Ausbaustrategie verweisen. Sie wird einen Mix aus PV- und Windkraftanlagen, aber auch die Themen Geothermie, Bioabfallvergärung und Fernwärme intensiv bearbeiten und zur Entscheidung in den Gemeinderat bringen.

 

Mein persönlicher Anspruch dabei ist nicht, die Gemeinde Maisach im Landkreis Fürstenfeldbruck zum Vorreiter der Energiewende zu machen. Vielmehr ist es mein Ziel, unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, der Kommune und allen Gewerbebetrieben eine regionale Energieversorgung unabhängig von geopolitischen Verwerfungen mit leistbaren Preisen stabil anbieten zu können. Dazu gehört für mich auch, dass die Bürger an den Energieanlagen beteiligt sind, was durch die Energiegenossenschaft „Bürgerenergie Maisacher Land“ zukünftig in unserer Gemeinde auch möglich ist.

 

Stabilität des soliden Fundaments von weiteren Einnahmen abhängig

Abschließend erlaube ich mir darzustellen, dass die Gemeinde Maisach über Rücklagen in Höhe von über 50 Millionen Euro, bei einer Pro-Kopf-Verschuldung von 32 Euro (Stand Ende 2021), verfügt - der Landesdurchschnitt liegt bei über 900 Euro Pro-Kopf.

 

Der Vermögenshaushalt lässt derzeit noch weitere Investitionen zu, die vor allem im Pflichtbereich Feuerwehren, Schule, Kinderbetreuungsangebote auch getätigt werden sollen. Mittelfristig hängen diese Planungen jedoch von den weiteren Einnahmen und damit der Stabilität des Verwaltungshaushalts ab.

 

Herausforderung Flächengemeinde

Die Herausforderungen ergeben sich insbesondere durch die Struktur unserer Gemeinde. Als Flächengemeinde mit sechs Hauptorten und 25 Gemeindeteilen sind wir wenig mit anderen Kommunen vergleichbar. Bei nahezu gleichwertigen Lebensbedingungen bedeutet das die dauerhafte Finanzierung und den Unterhalt von 13 Kindergärten, sechs Feuerwehren, drei Schulen, drei Turnhallen, der Bücherei, des Jubs, einem Bürgerzentrum, von Rathaus und Bauhof, entsprechendes Personal, einem Gemeindezentrum, fast 100 Wohnungen, vom Schwimmbad, von circa 160 km Straßen, Rad- und Gehwegen, von mehr als 200 Kilometern Glasfaserkabel zur Datenversorgung, von 180 Kilometern Wasserleitungen sowie von mehreren Buslinien und der Schülerbeförderung.

 

Höhere Einnahmen oder Einschränkung

Allein um diesen Standard zu halten, wird die Gemeinde auch zukünftig immer mehr Geld zur Finanzierung benötigen. Die Alternative zum wachsenden Finanzbedarf wäre eine grundsätzliche Verminderung der Angebote und Absenkung der Standards - die Bereitschaft dazu erkenne ich allerdings weder in der Bevölkerung noch bei den Entscheidungsträgern. Meines Erachtens ist das vom Ansatz her so auch richtig, weil die Zukunftsfähigkeit einer Gemeinde, eines Lebensraums von guten Standards und damit ihrer Attraktivität abhängt.

 

Vorübergehende Durststrecke überwindbar

Die Haushaltsjahre 2023 und 2024 stellen nach meiner Meinung eine vorübergehende Durststrecke dar und werden von erheblichen Einsparungen geprägt sein. Ich danke auch an dieser Stelle nochmals allen Gemeinderäten, die den vorgeschlagen Einsparkurs in den Vorberatungen mitgetragen haben.

 

Die Veränderung durch die äußeren Rahmenbedingungen und die bestehenden Krisen werden auch zukünftige Haushalte ohne ausreichend Einnahmen zu einer Herausforderung machen. Umso mehr ist es erforderlich, mit beiden Beinen am Boden zu bleiben, unsere Gemeinde und ihre Bedarfe realistisch zu analysieren und umsichtig zu entscheiden. So werden wir auch weiterhin eine zukunftsfähige, lebenswerte Gemeinde bleiben.

 

Persönlich bin ich überzeugt, dass die Gemeinde Maisach für die nächsten Jahre gut aufgestellt ist und die Entscheidungsträger Mensch und Natur ganzheitlich und ausgewogen im Blick haben.

 

Mit besten Grüßen aus dem Rathaus

 

Hans Seidl

Erster Bürgermeister

 

 

 

 

 

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